Winfried Mack MdL

Kretschmann platzte der Kragen

Artikel von Thomas Fritz; Main Post vom 03.10.14

BAD MERGENTHEIM
Bei einer Dienstfahrt ins liebliche Taubertal platzt dem Landesvater der Kragen

Hier gehts einem Landesvater wirklich gut. Nette Menschen, interessanter Wein, idyllische Landschaften, erfolgreiche Sportler, innovative Unternehmer. Im Lieblichen Taubertal fühlt sich Winfried Kretschmann sichtlich wohl. Selbst die wenigen Grünen, die am Mittwochabend zum Bürgerempfang in die Wandelhalle nach Bad Mergentheim gekommen sind, verderben ihm nicht die Freude an der Dienstfahrt in den Main-Tauber-Kreis.

Da fällt kein böses Wort. Erinnerungsfotos werden geknipst. Alte Zeiten kurz aufgewärmt. Nichts ist zu spüren von dem innerparteilichen Streit, den Kretschmanns vor wenigen Tagen mit seiner Zustimmung zur Asylrechtsreform bei den Grünen ausgelöst hat. Im Gegenteil: Die Grünen vor Ort schätzen seine klaren Argumente. Also alles Friede, Freude, Eierkuchen?

Nicht ganz.

Es ist kurz nach 21 Uhr. Die Diskussion mit den Bürgern ist abgeschlossen. Kretschmann wirkt gelöst, bleibt noch ein paar Minuten, diskutiert im kleinen Kreise weiter. Auch mit einem Naturschützer, der etwas gegen Windräder im Klosterwald bei Creglingen hat. Zuvor schon hat sich Kretschmann im Bürgerforum ausführlich seine Sorgen angehört. Sein Rat vom Rednerpult aus: „Wenden Sie sich an die zuständigen Stellen und wenn das nichts hilft, schreiben Sie mir.“ Doch der Mann ist damit nicht zufrieden. Er will seinem Landesvater eine Resolution übergeben. Er schafft es. Die beiden kommen ins Gespräch. Kretschmann bestellt sich ein Bier, hört zu, bleibt ruhig. Die Runde wird größer. Und die Argumente gegen Windkraft im Taubertal wiederholen sich.

Dann platzt Kretschmann der Kragen. Er wird laut. Zum ersten Mal an diesem erholsamen Tag. Er schreit sogar, redet sich in Rage. „Wir müssen nicht immer und ewig die selben Argument wiederholen“, sagt er mit energischer Stimme. „Die Bevölkerung hat durch die Wahl entschieden: Wir brauchen Windkraft – und wir bauen sie auch“, sagt er bestimmend. Nur das von Altkanzler Schröder bekannte „Basta“ am Schluss ließ er weg.

Es ist die andere Seite des Winfried Kretschmann, die jetzt zum Vorschein kommt. Da ist nichts mehr diplomatisch fein gespült, wohl überlegt und zig mal abgesprochen. Spontaneität bestimmt nun sein Verhalten. Kretschmann, den viele zuvor noch als menschlich, volksnah, lieb, gar großväterlich wahrgenommen haben, zeigt seine ander menschliche Seite. Überheblichkeit kommt durch, wenn der studierte Biologe und Chemiker die Argumente der Naturschützer mit Sätzen wie „Das müssen sie sich von von einem Naturwissenschaftler schon sagen lassen“ oder „Grundsatzdebatten über Windkraft brauchen Sie mit mir nicht zu führen“ eiskalt abwiegelt.

Kretschmann beruhigt sich nicht. „Ich führe diese Debatte seit 20 Jahren. Ihre Argumente kenne ich. Die Regierung hat so entschieden und so wird's auch gemacht“, lässt er den paar Windkraft-Gegnern keine Chance für ihre Position. Wieder fehlt das „Basta!“ Eine Stunde vorher sagte er noch: „In einer Demokratie kann man keine Machtworte sprechen.“ Ein Satz, der jetzt nichts mehr zählt.

Ein bisschen hilflos zupft ein Mitarbeiter am Ärmel seines Chefs. Vergeblich. Kretschmann lässt sich nicht beruhigen. Noch nicht. Es sind genau diese Momente des präsidentiellen Unbeherrschtseins, die bei anwesenden CDU-Politikern Hoffnungen auf einen Regierungswechsel im Ländle wecken. Bei der nächsten Landtagswahl wird sich das Blatt wieder wenden, sind sie nach dieser Auseinandersetzung überzeugt. Laut äußern wollen sie ihre Auffassung aber nicht. Stattdessen umgarnen sie den Landesvater, widersprechen nicht, Parteipolitik bleibt aus und vor.

Das fünfte Zupfen am Ärmel hat Erfolg. Kretschmann reagiert endlich und lässt sich wegziehen. Dem Mitarbeiter fällt ein Stein vom Herzen. Durchatmen. Weiter gehts im bekannten Trott. Noch mal kurz den Leuten hinter der Theke Danke sagen, den Spätburgunder aus dem Taubertal probieren, ein Gruppenfoto hier, eines da. Kretschmann ist jetzt wieder ganz nah beim Volk.

Die paar Naturschützer packen ihre Schilder zusammen. Wieder hat sie keiner verstanden. Wieder haben sie gegen Windmühlen geredet. Aber sie haben auch nichts anderes erwartet, sagen sie. „Nicht einmal von einem grünen Ministerpräsidenten.“

Thomas Fritz