Corona-Bekämpfung: Der hoheitliche Staat muss wieder den Rückzug antreten
Bei der digitalen Diskussionsveranstaltung der CDU Aalen mit Justizminister a.D. Guido Wolf ging es um die Frage, ob die Demokratie derzeit in Gefahr sei. In seinem Statement stellte der Landtagsabgeordnete Winfried Mack klar die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund.
Corona-Bekämpfung: Der hoheitliche Staat muss wieder den Rückzug antreten
von Winfried Mack
So richtig anfangs die staatlichen Verordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie waren, so sehr kommt es gerade jetzt darauf an, dass der Staat das richtige Maß findet und den Ausstieg aus den Corona-Verordnungen vorbereitet. Denn die Menschen im Land haben gelernt, mit Corona umzugehen und deshalb können wir als Gesellschaft wieder viel stärker auf Eigenverantwortung setzen.
Im März 2020 standen wir ganz am Anfang. Viele hatten noch nie etwas von der Spanischen Grippe gehört. Wir hatten an sie kein kollektives Gedächtnis, denn die Schrecken des Ersten Weltkrieges hatten dieses Ereignis überlagert. Was eine Pandemie ist, mussten viele erst googeln. Wir hatten kein Verständnis für das Tragen von Masken, im Schnellkurs haben wir uns Hygieneregeln angeeignet, wir wussten nicht, was Corona ist, hatten keinen Impfstoff, keine Schnelltests, haben Notbetten in Hallen aufgebaut.
In dieser für uns alle nie dagewesenen Situation war es vollkommen richtig, dass der Staat die Menschen angeleitet hat, dass wir zu den Instrumenten eines Staates gegriffen haben, der im Über-Unterordnungsverhältnis handelt und klare Kontaktbeschränkungen und einen harten Lockdown angeordnet hat. Wir haben auch ein Soforthilfeprogramm für die geschlossenen Betriebe in nur wenigen Tagen auf den Weg gebracht und dabei sogar vergessen, die Steuer-Identifikationsnummer im Antragsformular abzufragen. (Wer hätte das für möglich gehalten? Erst im September 2020 hat das Bundesfinanzministerium von allen Ländern verlangt, die Nummern nachträglich zu erheben und ja alles zur umfassenden Kontrolle an alle Finanzämter weiterzuleiten - Ordnung muss sein!). Die allermeisten Menschen trugen die Regeln der Corona-Verordnungen aus Überzeugung mit und waren dankbar, dass der Staat zum Schutz der Bevölkerung klar und umfassend handelte.
Diese Regeln der Landesregierungen waren übrigens auch demokratisch legitimiert – die Landtage haben ihre Rechte durchaus engagiert wahrgenommen. Der Landtag von Baden-Württemberg hat extra ein Gesetz erlassen, das dieser Gesetzgebung auf der Basis des Bundesinfektionsschutzgesetzes ergänzend klare Regeln gab.
Die Situation hat sich jetzt gewandelt und der hoheitlich handelnde Staat kommt mit den Corona-Verordnungen an seine Grenzen, da sie auch immer weniger das angemessene Mittel staatlicher Intervention darstellen. Und je weniger die Vorschriften logisch und nachvollziehbar sind, desto weniger werden sie beachtet, desto unglaubwürdiger droht der Vorschriftengeber zu werden. Wir brauchen jetzt nicht immer noch mehr Vorschriften, sondern weniger.
Die Bürgerinnen und Bürger sehen, dass Sie sich selbst schützen können: mit Maske, mit Selbsttests, mit Impfungen, mit Hygienemaßnahmen und haben all das in ihren Alltag integriert. Der Griff zur Maske beim Gang in den Supermarkt ist inzwischen selbstverständlich geworden. Staatliche Gebote und Verbote machen demgegenüber immer weniger Sinn, ja widersprechen sich teilweise, verfehlen ihren Zweck, sind oft zu bürokratisch. Die Menschen wollen wieder in Freiheit und Eigenverantwortung leben.
Diejenigen, die immer noch für eine strenge, umfassende Corona-Verordnung plädieren, verweisen auf die Gefahr, dass unsere Krankenhäuser wieder über die Belastungsgrenze kommen können. Diese Gefahr ist auch nicht von der Hand zu weisen. Deshalb ist Vorsicht geboten und niemand kann sagen, ob wir morgen nicht doch wieder strenge Maßnahmenpakete des Staates brauchen. Aber stark eingreifende Vorschriften, das sehen auch die Gerichte so, haben ihre Berechtigung verloren, weil sie nicht mehr verhältnismäßig sind.
Und dies gilt meines Erachtens auch für die Impfpflicht. Sie ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Menschen. Hierfür braucht der Gesetzgeber wirklich gute Argumente. Ich sehe nicht, dass die vorliegenden Argumente ausreichen. Deshalb halte ich mehr davon, dass der Staat von dem hoheitlichen Handlungsschema wegkommt, hin zu mehr Informationsangeboten. Wir müssen die Menschen vom Impfen überzeugen, in die einzelnen Viertel und Heime gehen, niedrigschwellige Angebote machen – Impfen muss weiterhin im Vorbeigehen möglich sein und nicht mit aufwändig organisierten Onlineterminen.
Es entspricht unserer Überzeugung als Christdemokraten, auf die Eigenverantwortung der Menschen zu setzen.
Die politische Linke hat dagegen freilich immer gewisse Vorbehalte gehabt. Für uns entspricht sie aber dem Wesen des Menschen und dem christlichen Menschenbild. Den hoheitlichen Staat brauchen wir, etwa um eine kollektive Gefahr abzuwehren. Wir lassen uns aber vom Staat nicht gerne sagen, wie wir leben wollen. Das können wir immer noch selbst entscheiden.
Unter diesem Aspekt können wir weitgehend auf die Corona-Verordnungen verzichten, sobald wir den Peak der Omikron-Welle überstanden haben und die Verordnungen nicht mehr zur Abwehr der kollektiven Gefahr erforderlich sind.