Volkstrauertag in Ellwangen - Erinnerung an die Opfer von Gewalt, Terror und Krieg
Rede des Landtagsabgeordneten Winfried Mack anlässlich der Gedenkfeier zum Volkstrauertag am Mahnmal des Friedhofs St. Wolfgang in Ellwangen:
Am heutigen Volkstrauertag gedenken wir der zahllosen Opfer von Krieg, Terror und Gewalt. Das Gedenken an die Opfer erfüllt uns mit Trauer und oftmals auch mit Scham. Wir sind zusammen gekommen, um uns gegenseitig zu versprechen, alles für den Frieden und gegen Krieg, Terror und Gewalt zu unternehmen.
Dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der sich um die Gräber unserer Kriegstoten kümmert und die Erinnerung an die Opfer wachhält, sind wir zu großem Dank verpflichtet. Der Volksbund hat im Internet sogar eine Suchfunktion eingerichtet, über die wir die Grabstätten unserer Verwandten oder Bekannten finden können, die in den Weltkriegen gestorben sind. So habe ich beispielsweise meinen Onkel Albert Mack gefunden, der 1942, als 19-jähriger, am Stadtrand von Kharkiv, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, gestorben ist. Noch konnte er nach diesen Angaben nicht auf einen Soldatenfriedhof des Volksbundes überführt werden. Doch da tobt in dieser Region schon wieder der nächste schreckliche Krieg.
Auf Initiative des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge erinnerte der Reichstag 1922, also vor 100 Jahren, zum ersten Mal an die gefallenen Soldaten. Reichstagspräsident Paul Löbe sagte damals: „Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch die Toten zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet die Abkehr vom Hass, bedeutete die Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat Liebe not.“
Diese Worte und die Erfindung eines Volkstrauertages in der Weimarer Zeit vor 100 Jahren waren die bewusste Abkehr von den vormaligen Helden-Gedenktagen vor dem Ersten Weltkrieg am sogenannten Sedan-Tag. An diesem wurde der Sieg deutscher Truppen über Frankreich 1870/71 erinnert, der mit der Annexion des Elsass sowie der Gründung des Deutschen Reiches und der Krönung des preußischen Königs zum deutschen Kaiser endete. Diese Zeremonie fand im Spiegelsaal von Versailles statt, dem Herzstück der französischen Nation, um den Gegner maximal zu demütigen. Überall wurden im Deutschen Reich in der Folge am Sedan-Tag Siegesdenkmäler aufgestellt. Triumph und Überlegenheit über Frankreich wurden so 45 Jahre wach gehalten und legte die Saat für den ersten Weltkrieg. Jubelnd verabschiedete Deutschland im Sommer 1914 seine Soldaten an die Front nach Frankreich.
Wie wichtig für unsere Grundorientierung, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg und der Nazi-Barbarei wieder einen Volks-Trauertag, einen Trauertag, (!) eingeführt haben und wie entscheidend, dass wir diesen auch in Zukunft weiter begehen.
Denn wieder ist der Krieg nach Europa zurückgekommen.
Wieder werden Helden von Putin und seinen Helfern ausgezeichnet – dafür, dass sie tun, was das Terrorregime von Ihnen verlangt.
Vor wenigen Tagen haben russische Marine Infanteristen aus dem fernen Osten, mit einem Brief an den Gouverneur ihrer Region einen Skandal ausgelöst. Sie attackierten besonders zwei Generäle, die sie in einen sinnlosen Angriff geworfen hätten, nur um Auszeichnungen und Anerkennung von der obersten Heeresleitung zu bekommen. Diese Generäle würden Menschen als „Fleisch“, also als Kanonenfutter“, betrachten. Allein ihre Brigade habe in vier Tagen 300 Mann verloren, also 30 %. Der russische Autor Viktor Jerofejew folgerte gestern dazu in einem Artikel in der FAZ: „ dass jetzt Kommandanten um Orden und neue Sterne auf den Schulterklappen kämpfen und zu diesem Zweck Kanonenfutter benutzen – das ist eine offensichtliche Entmenschlichung, die die ganze zivilisierte Welt bedroht“
Die Lehren, die wir in Deutschland und Europa und darüber hinaus aus den Katastrophen der beiden Weltkriege gezogen haben, sind richtig und geben uns auch Orientierung für die Zukunft.
Das ist der Kampf gegen das Vergessen.
Dazu gehören die Vereinten Nationen. Sie können nicht jeden Krieg aufhalten. Aber die Vereinten Nationen sind eine Plattform, die die Tür zur Diplomatie offen hält, die aber auch eine deutliche Sprache sprechen können. 140 Staaten haben den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verurteilt, und nur fünf Staaten haben, sich an die Seite Russlands gestellt.
Die Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen ist der international anerkannte Maßstab, an dem sich jeder Staat und auch jeder Despot messen lassen muss.
Und während sich Putin zu Hause eine lebenslange strafrechtliche Immunität geben ließ: vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ist er nicht sicher. So ein internationaler Prozess ist dann wieder die Grundlage für die Versöhnung der Völker: es muss der Kriegsverbrecher bestraft werden, aber nicht das Volk!
Die Bundeswehr und die NATO als Verteidigungsarmee bzw Verteidigungsnündnis sind notwendiger denn je. Wäre sich der Westen vor dem 24.2. so einig gewesen wie danach, hätte Putin seinen Angriffskrieg vermutlich nicht angezettelt. Deshalb ist es notwendig, einig zu bleiben, alles andere würde als Schwäche ausgelegt.
Ein beeindruckendes Zeugnis ist für mich die Charta der Vertriebenen von Stuttgart aus dem Jahr 1950. damals schworen die Vertriebenen Raxhe und Vergeltung ab und forderten ein vereintes Europa!
Europa, das bedeutet Frieden. Wer den Sinn von Europa erfahren will, der muss auf einen Soldatenfriedhof gehen.
Der Volkstrauertag ist für uns Aufforderung, um für ein friedliches Miteinander, für Freiheit und Demokratie, für Menschenwürde und Menschenrechte und für Mitmenschlichkeit im Alltag einzustehen. Gerade wenn wir mit der ganzen Welt Handel treiben, tragen wir auch eine Verantwortung für das Ganze.