Rede zur Diskussion um die Zukunft der Kliniken Ostalb
Meine Rede im Kreistag zum vorgestellten "Zukunftskonzept der Kliniken Ostalb" am 23. Juli 2024:
I.
Die Ostalb hat schon viele schwere Krisen gut gemeistert.
Jetzt haben wir eine doppelte Herausforderung:
Unsere Kreisumlage ist landeweit eine der höchsten. Die Rücklagen des Kreises sind, wie wir erfahren haben, aufgebraucht. Der Landrat bangt um die Genehmigung des nächsten Kreishaushalts durch die Rechtsaufsichtsbehörde.
Und da oben drauf kommt die Krise der Ostalb-Kliniken mit einem Minus von 60 Millionen €, den mithin höchsten Verlusten im Land.
Ein steiniger Weg liegt vor uns. Wir müssen die Probleme identifizieren, aufarbeiten und lösen, bevor sie uns überrollen.
II.
Die medizinische Versorgung ist kein Luxusgut, sondern lebensnotwendig. Sie ist die wichtigste Aufgabe des Landkreises.
Der Ostalbkreis mit seinen 320.000 Einwohnern und seinen drei Mittelzentren Aalen, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen ist ein großer Flächenkreis.
Dementsprechend hat der Kreistag vor einem Jahr beschlossen: in der Mitte eine Regionalversorger-Klinik, in Ellwangen und Mutlangen zwei Grundversorger. Dies ist auch weiterhin der richtige Ansatz.
Andere große Landkreise betreiben auch drei Krankenhäuser: Esslingen beispielsweise in Kirchheim/Teck, Nürtingen und Ostfildern. Mit diesen drei Krankenhäusern schreibt der Landkreis Esslingen eine schwarze null. Ja, sogar alle Investitionen in den Krankenhäusern werden aus dem laufenden Betrieb heraus finanziert. Das wurde möglich, weil alle Abteilungen in einem strukturierten Prozess auf Qualität, auf einen guten Ruf, aber auch auf Wirtschaftlichkeit getrimmt wurden.
Und unser Nachbar-Landkreis Donau-Ries mit nur 138.000 Einwohnern hat zwei Krankenhäuser in Nördlingen UND Donauwörth sowie ein Haus in Oettingen, auf das ich noch zu sprechen komme. Auch die Donau-Ries Kliniken schreiben de facto eine schwarze Null.
Eine an der Erreichbarkeit ausgerichtete Klinik-Versorgung ist also auch in diesen Zeiten ohne gravierende Defizite grundsätzlich möglich.
Auch wir sollten bei unserem Konzept bleiben: Qualität UND Erreichbarkeit. Das sind die zwei Grundkoordinaten jeder Krankenhausplanung.
Im aktuellen Krankenhaus-Plan Nordrhein-Westfalen, der eine wichtige Vorbildfunktion auch für andere Länder hat, gilt der Grundsatz für die Erreichbarkeit: 30 PKW-Minuten zur nächsten Klinik für 100 % der Bevölkerung. Wenn wir diesen Grundsatz auch bei uns anwenden, sind wir auf unsere drei Kliniken in Aalen, Schwäbisch Gmünd und Ellwangen angewiesen. Wir sollten nicht hinter das Niveau von NRW zurückfallen.
Eine gute medizinische Versorgung ist ein wichtiger Standortfaktor. Dies hat unsere Wirtschaft im Ostalbkreis bereits deutlich zum Ausdruck gebracht. Stimmt die medizinische Versorgung der Bevölkerung, der Schulen und der Betriebe nicht, schlägt dies auf die wirtschaftliche Attraktivität und damit auf die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand in der Region durch.
III.
Die Entscheidung über die Zukunft der Kliniken Ostalb wurde in die nächste Sitzung des Kreistags im September verschoben. Das ist gut so! Für den Ostalbkreis ist dies eine der wichtigsten Entscheidung seit seinem Bestehen.
Wir haben jetzt wertvolle Zeit gewonnen, um die Probleme der Kliniken Ostalb gemeinsam betriebswirtschaftlich und politisch besser bewerten zu können.
Wir beschäftigen uns jetzt seit der Kreistagswahl, seit 6 Wochen, intensiv mit den Kliniken. Aber wir wissen immer noch viel zu wenig bis gar nichts über die Kosten und Erlöse der einzelnen Abteilungen der Kliniken.
Wir konnten auch bisher nicht mit den Chefärzten der Abteilungen sprechen. Nur einige wenige wurden bisher zu den Beratungen hinzugezogen, aus Ellwangen gar keiner.
Erst wenn wir Transparenz hergestellt haben und wissen, welche Potenziale wir haben, können Maßnahmen eingeleitet werden.
Ich werbe also bestimmt nicht für eine Entökonomisierung der Krankenhäuser, wie es Lauterbach formuliert hat. Wir müssen betriebswirtschaftlich wissen, was wir tun.
Es geht um das Ganze. Das Minus beträgt in diesem Jahr 60 Millionen €. Vom Land fordert der Landkreistag als Interessenvertretung der Landkreise eine pauschale Investitionshilfe für dieses Jahr von 300 Millionen. Die CDU-Fraktion im Landtag unterstützt dies in voller Höhe. Hoffentlich gewährt der Finanzminister diese Hilfe.
Doch unser Hauptproblem sind die Betriebskosten, für die der Bund zuständig ist. Ich sehe hier - jedenfalls auf die Schnelle - keine Hilfe.
Diesen Brocken von 60 Mio. € schaffen wir nur weg, wenn wir - und zwar ganz schnell - die einzelnen Prozesse aller Kliniken konsequent durchleuchten und gleichzeitig alle Potentiale heben.
IV.
Mit einer Zerschlagung der Klinik in Ellwangen wäre gar nichts gelöst, aber wertvolle betriebswirtschaftliche und medizinische Potentiale wären weg und die Versorgung des gesamten nordöstlichen Landkreises wäre gefährdet.
Dass gar nichts gelöst wäre, das ist nicht meine Feststellung, sondern die des Beratungsinstituts hcb Augursky, die diese Variante schon am 2.5.22 untersucht hat und zum Ergebnis kam: Diese „Variante 2b erreicht nur kurzfristige Stabilisierung der Kliniken Ostalb“.
Diese Schlussfolgerung ist logisch. Eine Lösung darf nicht nur für drei Jahre tragfähig sein. Das Problem liegt viel tiefer.
Hinweisen möchte ich darauf, dass die OP-Säle in Ellwangen nach Aussage von Herrn Rieß am letzten Donnerstag frühestens Ende 26 geschlossen werden könnten, weil kein Ersatz zur Verfügung stünde. Bis dann die Restrukturierungslasten finanziell bewältigt wären, ist bei diesem Weg frühestens 2028, eher 2029 eine Entlastung für die Haushalte der Kommunen via niedrigere Kreisumlage möglich. Also für die Kreisumlage bringt die Zerschlagung in den nächsten Jahren erst mal nichts.
Wird nicht anders herum ein Schuh draus? Warum sorgen wir nicht dafür, dass die Kapazitäten in den neuesten OP-Sälen im Ostalbkreis - in Ellwangen - sofort maximiert werden? Viele sagen, mit einem Volllastbetrieb in diesen OPs könnten wir sofort deutlich höhere Erlöse erreichen.
Damit wir an einer ganzheitlichen Lösung arbeiten können, ist es notwendig, dass sich der gestern gebildete Verwaltungsrat als Kontrollgremium der Kliniken Ostalb alsbald zusammentritt und ein Arbeitsprogramm definiert.
Dieses Gremium muss die Zeit nutzen und in den nächsten sieben Wochen versuchen, Transparenz herzustellen und Lösungswege zu diskutieren.
Wir brauchen ein Preisschild für jede Abteilung, und wir müssen ein Konzept erarbeiten, wie wir die Prozesse kostengünstiger machen und wie wir die Erlöse signifikant steigern können.
Solange uns aber niemand z.B. sagen kann, welche Erlöse die Urologie in Ellwangen oder alternativ in Mutlangen erzielen kann, mit und ohne die Patientenpotenziale aus Mittelfranken und wie wir insgesamt die Erlöse der Urologie deutlich steigern können, ist es unmöglich, zu gestalten.
V.
Dreh- und Angelpunkt für Ellwangen ist die Chirurgie: Nur noch ein chirurgisches Team in Aalen, das dann für 193.000 Menschen in den Mittelbereichen Aalen und Ellwangen zuständig wäre, ist schlicht zu wenig. Und wenn wir jetzt eine chirurgische Abteilung oder eine andere Abteilung schließen, bekommen wir sie von der Krankenhausplanung des Landes nie wieder zurück. Dies muss uns bewusst sein.
Das Engagement der chirurgischen Belegärzte in Ellwangen kann zu einer fachklinischen Einrichtung erweitert werden, um die Chirurgie profitabel zu machen. Auch sollten wir eine Zusammenarbeit mit dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm prüfen. Ellwangen ist nach wie vor Garnisons-Standort.
Wir brauchen weiterhin eine Chirurgie in Ellwangen, eventuell in engerer Zusammenarbeit mit Aalen, auch, um eine funktionierende Notaufnahme in Ellwangen abzusichern und die D-Arzt-Versorgung zu gewährleisten.
Der Ostalbkreis ist bei der Klinik-Bettenzahl nicht üppig unterwegs. Wir liegen weit unter dem Landesdurchschnitt von 478 Betten. Wir haben im Ostalbkreis 325 Krankenhausbetten auf 100.000 Einwohner. Und die sind nach Aussage der Klinikleitung schlecht belegt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass wir massiv Potenzial in die Nachbarschaft abgeben. Dem müssen wir nachgehen und Potentiale heben.
Was uns nicht weiterbringt ist eine Innere Abteilung in Ellwangen ohne OP, ohne Intensiv und ohne Beatmung. Davor haben uns auch die Kollegen aus dem Landkreis Donau-Ries gewarnt. Deren Haus in Oettingen hat genau diese Konstruktion, aber mit Beatmung. Deren klare Aussage: Ohne Beatmung ist eine Rumpf-Innere nicht finanzierbar! Und dann wäre in Ellwangen auch die Notaufnahme-Konstruktion weg. Dieser Weg ist also nicht machbar.
VI.
Die nächsten Jahre werden steinig. Deshalb sollten wir auf das setzen, was wir haben und worauf wir uns verlassen können.
Wir sollten die Bauten, die wir haben, nutzen. Wir sollten auf unser motiviertes und qualifiziertes Personal setzen, das in der Bevölkerung hohe Anerkennung genießt.
Ich setze darauf, dass wir auch für diesen steinigen Weg einen gemeinsamen Willen für Lösungen entwickeln, die den gesamten Kreis im Blick haben und die Krise meistern.