SZ: Peer Steinbrück kämpft für eine rot-grüne Koalition, viele Unternehmer sind darüber in Sorge. In Ihrem Bundesland, Baden-Württemberg, regiert seit 2011 sogar Grün-Rot. Ist das so schlimm?
Nicola Leibinger-Kammüller: Ich kann nicht erkennen, dass sich durch Grün-Rot irgendetwas zum Besseren verändert hat. Im Gegenteil: Dort, wo die Landespolitik Akzente setzen könnte, geschieht nichts, oder es läuft in die falsche Richtung. Siehe Infrastruktur, siehe Schulpolitik.
Haben Sie als Mittelständler denn konkrete Nachteile?
Kurzfristig ist die Landespolitik für unser Handeln als Unternehmen nicht entscheidend. Doch die genannten Versäumnisse und Fehlentscheidungen schaden uns auf lange Sicht durchaus. Wenn die Qualität unserer Schulen durch falsche politische Entscheidungen massiv leidet, dann rächt sich das irgendwann. Wir Unternehmen brauchen gute Facharbeiter. Sie sind entscheidend für die Qualität unserer Produkte und unsere Konkurrenzfähigkeit. Deshalb macht es uns große Sorge, dass Grün-Rot unsere starken Haupt- und Realschulen in Baden-Württemberg beschädigt.
Warum reagieren gerade Familienunternehmen so alarmiert auf die rotgrünen
Steuerpläne im Bund?
Weil sie uns in der Substanz treffen. Besonders die Pläne der Grünen hätten zur Folge, dass uns in erheblichem Maße Kapital entzogen würde, das wir dringend brauchen: Wir deutschen Weltmarktführer stehen in immer stärkerem Wettbewerb mit neuen Konkurrenten aus China und anderen Ländern. Bisher sind unsere Produkte technologisch führend, weil wir sehr viel in Forschung und Entwicklung investieren - in unserem Unternehmen knapp zehn Prozent vom Umsatz und zwar Jahr für Jahr. Das könnten wir uns nach so massiven Steuererhöhungen nicht mehr leisten.
Aber Steinbrück will die Familienunternehmen von den Steuererhöhungen
ausnehmen.
Wie das juristisch gehen soll, möchte ich gerne mal sehen. Bei uns und bei vielen anderen Familienunternehmen steckt das Privatvermögen im Unternehmen. Jede Besteuerung geht unmittelbar zulasten des Betriebsvermögens. Zu behaupten, dass man das trennen könne, ist Augenwischerei. Die Steuerpläne der Grünen hätten unser Unternehmen in diesen fünf Jahren über 220 Millionen zusätzlich gekostet. Nur mal zum Vergleich: Wir als Hochtechnologieunternehmen geben jedes Jahr 200 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung aus. Ein ganzes Jahr Forschung und Entwicklung würde uns also heute fehlen, wenn Trittins und Göring-Eckardts Umverteilungspläne Realität wären.
Und bei der SPD?
Im sogenannten Ministerpräsidentenmodell der SPD-Seite wären es rund 150 Millionen Euro zusätzlich gewesen - also gewissermaßen ein Dreivierteljahr Forschung und Entwicklung.
Braucht der Staat das zusätzliche Geld nicht aber doch für Zukunftsaufgaben?
Ich bin versucht zu antworten: Nur dann, wenn er die so angeht wie den neuen Hauptstadtflughafen. Aber im Ernst: Mir will nicht einleuchten, dass die öffentliche Hand angesichts von Steuereinnahmen auf Rekordniveau Schulen und Universitäten, Straßen und Netze nicht vernünftig unterhalten können soll. Eine Ausgabenkritik des Staates ist wohl dringender nötig als Steuererhöhungen.
INTERVIEW: MARC BEISE
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