Nach dem Sturm auf das Kapitol: Wie steht es um unsere Demokratie?
Marcus Schuler, ARD-Korrespondent im Sillicon Valley, berichtete zunächst über die Situation in den USA nach dem Sturm auf das Kapitol. Er führte Trumps Erfolge u.a. darauf zurück, „dass er eine Wählerschicht aktiviert hatte, die bisher nicht zur Wahl gegangen war“. Dr. Sarah Schmid aus Aalen, Referatsleiterin bei der Hanns-Seidel-Stiftung, sieht eine Ursache darin, dass Trump in den sozialen Medien „eine unglaubliche Reichweite“ habe. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass soziale Netzwerke mittlerweile enorm zur politischen Willensbildung beitrügen – „allerdings auch zur Desinformation“, gab Schmid zu bedenken.
Sabine Kurtz berichtete aus ihrem Alltag als Landtagsvizepräsidentin in Stuttgart davon, wie die AfD die Sprache im Landtag verändert: „Ordnungsrufe und Ermahnungen erteilen wir mittlerweile regelrecht inflationär“.
Prof. Dr. Christoph Knill von der LMU München sagte, der Staat erlasse mittlerweile eine unüberblickbare Flut von Regelungen und Gesetzen. Hierfür fehle vielen Menschen schlicht das Verständnis. „Sie fühlen sich abgekoppelt, nehmen den Staat als unfähig und dann als ungerecht wahr, und stellen schlussendlich das System insgesamt in Frage.“ Knill warnte: Die Demokratie dürfe nicht am eigenen Ast sägen. Auch Leitgöb erinnerte daran, dass der Staat das Zusammenleben der Menschen gut und vernünftig regeln solle, und zwar in Demut vor dem Grundgesetz.
Hier anzusetzen, sei eine wichtige Aufgabe der politischen Bildung, betonte Knill: „Hierzu müsste das Fach Politik einen ebenso großen Stellenwert bekommen wie die Mathematik“. Sabine Kurtz sprach in diesem Zusammenhang das Thema Emotionen an. Auch Knill appellierte an die etablierten Parteien, die Bedeutung eines markanten Profils nicht zu unterschätzen: „Sie sollten sich stärker auf die Frage fixieren, was ihre Partei kennzeichnet“. Und auch Leitgöb machte deutlich, wie wichtig es für die Politik ist, Haltung zu zeigen: „Es braucht Menschen mit Gewissen, mit Grundsätzen und mit Tugenden“.
Auch über die Frage, ob es richtig war, Trumps Accounts auf Twitter und Facebook zu sperren, wurde diskutiert. „Seitdem sind die Falschmeldungen rapide zurückgegangen“ berichtete Marcus Schuler über die Situation in den USA. Dr. Sarah Schmid wies darauf hin, dass eine der entscheidenden Fragen für die Zukunft sei, wer diese Netzwerke kontrolliere, sodass auch strafrechtliche Schritte eingeleitet werden könnten.
Zur Frage, ob eine Situation wie in Amerika auch bei uns möglich sei, waren die Teilnehmer eher zurückhaltend. Allerdings wurde vor allem deutlich, dass Politik bereits viel früher ansetzen muss. „Momentan – in der Corona-Situation – heißt das, erst einmal die Jobs der Leute zu sichern“, erläuterte Mack. Er habe viel Vertrauen in unsere Demokratie: „Der viel gescholtene föderale Flickenteppich ist im Gegenteil ein gesichertes demokratisches System.“